Motivation, Glück und Zufriedenheit am Arbeitsplatz und bei der Fußball-WM

Erfahren Sie etwas über Selbstmotivation am Arbeitsplatz und so ganz nebenbei, wie Sie Ihre Frau dazu bringen, sich mit Ihnen gemeinsam die Fußball-WM-Spiele anzusehen – eine Anleitung nicht nur für Männer.

 

I – Der motivierte Lachsfileteur

Eher zufällig stolperte ich kürzlich wieder über einen interessanten Artikel des von mir sehr geschätzten amerikanischen Psychologen und Bestseller-Autors Mihály Csíkszentmihályi. Unter dem Titel „The Pleasure Principle“ befasst er sich darin mit der Frage, was Menschen Zufriedenheit und Glück am Arbeitsplatz erleben lässt.

 

 

Nun ist uns allen klar, dass es natürlich solche Arbeitsplätze gibt, die eine höhere Chance auf Zufriedenheit bieten. Wenn ich meine Kreativität, meinen Intellekt und mein Engagement einbringen kann, wenn ich meine Aufgabe als herausfordernd aber nicht überfordernd empfinde, führt dies zu einer höheren Zufriedenheitswahrscheinlichkeit. In Unternehmen bemühen wir uns daher zu Recht, Arbeitsplätze so zu gestalten, dass die motivationsfördernden Rahmenbedingungen erfüllt werden.

Ob ich meine Arbeit als motivierend empfinde, hängt aber nicht nur von meiner Tätigkeit, sondern vor allem von mir selbst ab. Csíkszentmihályi erzählt vom Mitarbeiter in einem New Yorker Delikatessenladen, der seit 40 Jahren mit Begeisterung Lachs in feine Scheiben filetiert, obwohl er längst in Pension sein könnte. Auf die Frage, wie er sich dieser Arbeit mit solcher Begeisterung widmen kann, antwortete er mit einer schlichten Feststellung: „Jeder Lachs ist anders.“ Er sieht es als Herausforderung, die Anatomie und Struktur eines Lachses zu erkennen und diesen in der einfachsten möglichen Form zu filetieren und dabei so wenig Verschnitt wie nur irgend möglich zu haben. Seine grundlegende Überzeugung kommt in seiner täglichen Arbeit zum Audruck: wenn Lachs richtig filetiert ist, schmeckt er den Kunden auch besser. Daraus leitet er den Sinn seiner Tätigkeit ab. Er hat gelernt sich so auf seine Tätigkeit zu fokussieren, dass er darüber sogar „die Zeit vergisst“.

 

II – War Sisyphos ein glücklicher Mensch?

Man fühlt sich an Albert Camus’ Neuinterpretation des – von uns meist negativ betrachteten – Sisyphos-Mythos erinnert. Camus schlägt vor, sich Sisyphos als glücklichen Menschen vorzustellen. Sisyphos käme gerade dadurch zu Würde und Freiheit, dass er den Stein zwar vergeblich, aber eben nicht sinnlos immer wieder Richtung Gipfel rollt. Ob – oder besser: wie – wir uns als Sisyphos empfinden, hängt demnach primär von unserer Einstellung und Konzentration ab, und weniger davon, ob unsere Arbeit darin besteht, immer wieder einen neuen Lachs zu filetieren oder als Führungskraft wieder und wieder Mitarbeitergespräche mit Lachsfileteuren zu führen.

Ich persönlich kenne keine Lachsfileteure. Aber ich kenne Führungskräfte, die sich jedem Mitarbeitergespräch mit Konzentration und Sorgfalt widmen, weil jeder Mitarbeiter und jede Mitarbeiterin anders ist. Und ich kenne solche, die sie als lästige Verpflichtung möglichst rasch hinter sich bringen wollen – und dementsprechend „schmecken“ diese Mitarbeitergespräche dann auch.

 

III – Das Geheimnis von Glück und Zufriedenheit bei unseren Tätigkeiten

Und hier sind wir bereits dem Geheimnis von Glück und Zufriedenheit bei der Arbeit auf der Spur: wir müssen also nur so sehr in unserer Arbeit aufgehen, dass wir alles andere um uns herum vergessen. Vergessen Sie dabei aber bitte nicht alle anderen Rollen, in denen Sie auch noch Zufriedenheit erreichen wollen: sie wollen ja auch ein glückliches und zufriedenes Familienleben – oder nicht? Sie dürfen Ihre Familie daher nicht dauerhaft oder zu lange über Ihrer Arbeit vergessen. Im Gegenteil: wenn Sie sich Ihrer Familie widmen, vergessen Sie bitte möglichst schnell Ihre Arbeit. Meine Frau teilt mir übrigens gelegentlich lächelnd mit, dass ich in diesem Bereich durchaus noch Entwicklungspotenzial habe. Vielleicht kam mir daher die glorreiche Idee, mir einige Spiele der Fußball-WM mit ihr gemeinsam ansehen zu wollen.

Wir sehen daran, dass es mit dem Vergessen der Umgebung und dem Aufgehen in einer Tätigkeit nicht so leicht ist. Zudem gibt es ja eine Reihe von Aktivitäten, die man nicht gerade liebt. Auch solche Dinge, die uns den Nerv töten und von denen wir zu wissen glauben, wenn nur sie nicht wären, dann könnten wir wirklich Freude mit unserem Job haben. Üblicherweise finden wir recht schnell Rezepte gegen diese Tätigkeiten: wir verschieben und vermeiden sie, bringen sie vielleicht auch rasch hinter uns, damit wir sie nicht mehr vor uns haben, oder – wenn möglich – delegieren wir sie an jene, die sie zwar auch nicht lieber tun, die sich aber noch weniger dagegen wehren können als wir selbst. Genau das ist der Fehler! Man kann eine Arbeit unmöglich lieben, wenn man sie nur hinter sich bringen will.

Csíkszentmihályi macht dazu einen überraschenden Vorschlag. Anstatt Tätigkeiten, die wir nicht lieben, schlampig zu erledigen, müssen wir uns ihnen mit der größten Sorgfalt widmen. Seine Erkenntnis beruht auf Forschungen, die er in den 90er Jahren mit zwei Forscherkollegen von den Universitäten Harvard und Stanford durchführte. Darin beschäftigte er sich mit der Frage, wodurch Menschen in ihrer Arbeit Zufriedenheit erlangen. Die Schlussfolgerungen waren recht eindeutig: Personen, die ihre Tätigkeiten aus eigenem Antrieb heraus bestmöglich erledigen und sich zudem ihrer sozialen Verantwortung bewusst sind, zeigen fast ausnahmslos Freude und Zufriedenheit in der Arbeit.

 

 

"Zufriedenheit liegt im Bemühen, nicht in der Errungenschaft, volle Mühe ist voller Sieg." – Mahatma Gandhi

IV – Wie schaffen Sie es also, die WM-Fußballspiele gemeinsam mit ihrer Frau zu sehen?

Die Harvard-Professorin und Mindfulness-Forscherin Ellen Langer führte eine Untersuchung mit Personen durch, die es hassten sich Fußballspiele im Fernsehen anzusehen. Sie teilte diese in 4 Gruppen. Eine Gruppe sollte sich das Fußballspiel einfach ansehen. Die zweite Gruppe erhielt die Aufgabe dabei eine neue Sache über Fußball herauszufinden. Die dritte Gruppe musste 3 Dinge über Fußball herausfinden, bei der vierten Gruppe waren es sechs neue Erkenntnisse, die gefunden werden mussten. Das Ergebnis war eindeutig: je aktiver die Personen sein mussten, desto mehr genossen sie das Fußballspiel. Langeweile und Desinteresse sind Funktionen fehlender Achtsamkeit.

Wenn wir also wollen, dass Menschen die Begeisterung für eine Sache mit uns teilen, dann müssen wir diese Begeisterung in ihnen wecken, indem wir sie dazu bringen, selbsttätig mehr über diese Sache in Erfahrung zu bringen. Natürlich wissen Sie, dass es auch gute Anknüpfungspunkte braucht: beim Thema Fußball kann es sinnvoll sein, zunächst den Umweg über das gemeinsame Ansehen eines Frauen-Fußballmatches zu machen. Aber vielleicht erfahren Sie ja auch als Mann dadurch einen neuen Aspekt von Fußball. Sie sollten nicht von vornherein ausschließen, dass auch Sie noch etwas lernen können.

Und als Tipp für alle eingefleischten Nicht-Fußballer*innen: das wurde natürlich auch mit anderen Bereichen wie Musik oder Kunst getestet und funktionierte ebenso. Wenn Sie als Frau also gerne hätten, dass Ihr Mann gerne mehr im Garten macht, dann wissen Sie nun, was Sie zu tun haben. Ich glaube allerdings nicht, dass auch Geschirrspülen getestet wurde. Es dürfte also auch ein paar Grenzen der Motivation geben.

 

V – So motivieren wir uns zu Dingen, die wir nicht gerne tun.

Wenn uns mühevolle und Präzision erfordernde Detailarbeit belastet, weichen wir ihr also nicht aus, sondern ändern unsere Einstellung und handeln wie der Lachsfileteur im Delikatessengeschäft, der konzentriert sein Bestes gibt. Wir gewinnen dadurch Zufriedenheit statt sie weiter zu verlieren. Die Rückmeldungen, die wir von anderen ob unserer veränderten Einstellungen erhalten, tun hoffentlich das ihre dazu.

Wenn wir jemanden motivieren wollen, sorgen wir dafür, dass Personen selbsttätig Aufgaben durchführen, die sie zu neuen Erkenntnissen bringen. Je mehr Kompetenz diese Personen auf einem Gebiet haben, desto motivierter und freudiger werden sie sich im Allgemeinen damit beschäftigen.

Mit mindestens derselben Berechtigung, mit der wir sagen können, dass Zufriedenheit unter Mitarbeitern und Mitarbeiterinnen gute Arbeitsleistungen und aktives Handeln zur Folge hat, können wir folglich auch umgekehrt behaupten: Unsere Aktivitäten und Leistungen führen zu Glück und Zufriedenheit.

 

Literatur:

Mihály Csíkszentmihályi, „The Pleasure Principle.“ In: Holland Herald, 11/2009, S. 22ff.

Mihály Csíkszentmihályi, Flow im Beruf. Das Geheimnis des Glücks am Arbeitsplatz. Klett-Cotta 2004.

Ellen Langer, Mindfulness, 25th Anniversary Edition. Da Capo Press 1989, 2014.